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Versteht eine KI Witze?
Versteht eine KI Witze?
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Jan 23, 2025
"Ich bat meine KI, mir einen Witz zu erzählen. Sie antwortete: ‚Fehler 404: Humor nicht gefunden.‘ "
Das ist einer meiner Lieblings-AI-Witze. Warum? Weil er auf mehreren Ebenen funktioniert: Er spielt mit einer bekannten Fehlermeldung, die wir aus dem Alltag kennen, und überträgt diese in eine unerwartete Situation. Statt eines Witzes bekommen wir eine Antwort, die wir typischerweise beim Surfen im Internet sehen – und genau dieser Bruch mit der Erwartung sorgt für den humorvollen Effekt.
Aber dieser Witz ist mehr als nur ein Beispiel für KI-Humor – er ist ein Hinweis darauf, was eine KI eigentlich nicht kann. Versteht eine KI wie ChatGPT diesen Witz wirklich? Die Antwort lautet: Nein, sie versteht ihn nicht – zumindest nicht so, wie wir Menschen Humor verstehen. Aber sie kann die Mechanismen des Witzes analysieren und imitieren. Ich möchte in diesem Artikel erklären, warum das so ist, wie ChatGPT Humor simuliert und warum echte Emotionen dabei keine Rolle spielen.
Warum sind Witze witzig?
Um zu verstehen, warum Witze witzig sind, müssen wir zunächst die unterschiedlichen Theorien und Dimensionen betrachten, die erklären, wie Humor funktioniert. Jede dieser Theorien beleuchtet einen anderen Aspekt dessen, was einen Witz witzig macht. Schauen wir uns die wichtigsten Theorien und Dimensionen im Detail an:
1. Inkongruenztheorie
Die Inkongruenztheorie besagt, dass Humor entsteht, wenn zwei unvereinbare oder widersprüchliche Elemente aufeinandertreffen. In einem Witz schafft diese unerwartete Wendung oder Abweichung von der Erwartung einen humorvollen Effekt.
Ein AI-bezogener Witz, der gut zur Inkongruenztheorie passt, ist: "Was macht eine AI in ihrer Freizeit?" – "Sie analysiert, wie sie Freizeit effizienter machen könnte."
Warum ist das witzig? Die Inkongruenz liegt darin, dass wir "Freizeit" mit Entspannung und Abschalten verbinden, während die AI genau das Gegenteil tut: Sie nutzt ihre Freizeit, um noch produktiver zu werden. Das bricht unsere Erwartungen und sorgt für den humorvollen Moment.
In Filmen wie 2001: Odyssee im Weltraum gibt es ebenfalls Momente, in denen HAL 9000, die KI, auf unvorhersehbare Weise agiert, was gleichzeitig unheimlich und ironisch wirkt. Die Inkongruenz zwischen den menschlichen Erwartungen an HAL und dessen tatsächlichem Verhalten verstärkt das Unbehagen – in einem Witz wäre es genau dieses Spannungsfeld, das das Lachen erzeugt.
2. Überlegenheitstheorie
Die Überlegenheitstheorie, die auf Philosophen wie Thomas Hobbes zurückgeht, besagt, dass wir über das Unglück oder die Fehler anderer lachen, weil wir uns in einer überlegenen Position fühlen. Dies ist besonders bei Witzen über die "Unzulänglichkeiten" von Maschinen oder künstlicher Intelligenz der Fall.
Ein Beispiel: "Warum hat die AI ihren Job verloren?" – "Weil sie sich zu oft überarbeitet hat!"
Warum ist das witzig? Hier lachen wir, weil die KI, die eigentlich effizient und unermüdlich sein sollte, ironischerweise wegen Überarbeitung scheitert. Das stellt die Idee der technologischen Überlegenheit auf den Kopf und lässt uns, die "menschlichen" Wesen, überlegen erscheinen.
In der Science-Fiction-Literatur gibt es häufig Situationen, in denen AI scheitert, was das menschliche Publikum beruhigt, da die Maschinen trotz ihrer Fortschrittlichkeit eben doch nicht "perfekt" sind. Ein Beispiel hierfür ist Der Wüstenplanet, in dem KIs durch menschliche Schwächen überwunden werden.
3. Erleichterungstheorie
Nach Sigmund Freuds Erleichterungstheorie dient Humor dazu, Spannungen abzubauen. Besonders bei Witzen über gesellschaftlich brisante Themen oder Ängste bietet Humor eine Möglichkeit, mit diesen Ängsten umzugehen, ohne ernsthaft betroffen zu sein.
Ein AI-Witz, der Spannungen abbaut, könnte so aussehen: "Die AI meinte, sie sei bereit für die Weltherrschaft. Ich fragte, ob sie dabei wenigstens die Wohnung putzen könnte."
Warum ist das witzig? Der Witz nimmt die Angst vor einer potenziellen AI-Dominanz auf und entschärft sie, indem er das Thema durch eine alltägliche und triviale Frage relativiert. Wir lachen, weil die Spannung rund um die mächtige AI plötzlich in etwas völlig Banales aufgelöst wird.
4. Ambivalenztheorie
Diese Theorie betont die Doppeldeutigkeit oder Ambivalenz eines Witzes. Ambivalente Witze können zwei widersprüchliche Bedeutungen oder Gefühle ansprechen und dadurch Humor erzeugen.
Ein passender AI-Witz wäre: "Ich liebe meine AI, weil sie mir hilft, aber ich hasse sie, weil sie besser organisiert ist als ich."
Warum ist das witzig? Hier ist die Ambivalenz offensichtlich: Die AI wird sowohl als hilfreich als auch als überfordernd dargestellt. Wir können uns in beiden Emotionen wiederfinden – in der Erleichterung, dass die AI uns unterstützt, aber auch in der Frustration, dass sie uns überlegen zu sein scheint.
5. Spieltheorie
Die Spieltheorie betrachtet Humor als eine Art "soziales Spiel", bei dem Grenzen ausgelotet oder Regeln bewusst gebrochen werden, ohne ernsthafte Konsequenzen zu haben. Humor bietet somit einen sicheren Raum, um mit Normen zu spielen.
Ein spielerischer AI-Witz könnte so aussehen: "Ich bat meine AI, meine Steuererklärung zu machen. Sie antwortete: ‚Spielregeln ändern! Lass uns alles absetzen!‘"
Warum ist das witzig? Die AI schlägt hier ein kriminelles Verhalten vor, das im echten Leben ernste Folgen hätte. Da es aber im Rahmen eines Witzes bleibt, ist das Brechen der Regeln harmlos und führt zu einem humorvollen Moment.
Dieser spielerische Ansatz ist typisch für Figuren wie Tony Stark in den Iron Man-Filmen, der sich oft mit seiner KI J.A.R.V.I.S. auf spielerische Weise unterhält, wobei die Grenzen von Macht, Technologie und Menschlichkeit ausgelotet werden.
6. Wortspiele und Sprachwitz
Wortspiele nutzen die Mehrdeutigkeit der Sprache und sind ein wichtiger Bestandteil vieler Witze. Besonders bei AI-Witzen, die oft mit technischen Begriffen arbeiten, ist dieser Ansatz beliebt.
Ein Beispiel: "Warum liest die AI keine Bücher?" – "Weil sie alle schon heruntergeladen hat."
Warum ist das witzig? Dieser Witz nutzt ein Wortspiel, indem er das menschliche Verständnis von "Lesen" mit der technischen Fähigkeit der AI, Informationen herunterzuladen, in Verbindung bringt. Es entsteht eine Mehrdeutigkeit, die den humorvollen Effekt erzeugt.
In der Literatur finden wir solche Wortspiele oft bei Figuren wie dem Roboter Marvin aus Per Anhalter durch die Galaxis, der auf alles sarkastisch und mit einer sprachlichen Doppelbödigkeit reagiert. I LOVE THIS BOOK.
7. Identifikation und Wiedererkennung
Ein weiterer Aspekt, der Witze witzig macht, ist die Identifikation mit der Situation oder den Charakteren. Wenn Menschen sich mit einem Witz identifizieren können, empfinden sie ihn oft als witziger.
Ein AI-bezogener Witz wäre: "Warum hat die AI keine Angst vor Fehlern? – Weil sie einfach einen Neustart macht."
Warum ist das witzig? Viele von uns haben die Erfahrung gemacht, dass Computer oder Geräte abstürzen, und wir wünschen uns manchmal, genauso einfach "neu starten" zu können. Diese Identifikation macht den Witz für viele Menschen zugänglich und dadurch lustig.
8. Risiko und Tabubruch
Humor kann auch aus dem Brechen gesellschaftlicher Normen oder Tabus entstehen. Ein Witz, der diese Grenze ausreizt, ist oft riskanter, aber wenn er gut gemacht ist, kann er besonders wirkungsvoll sein.
Ein riskanter AI-Witz (als Abwandlung von (7)) könnte so lauten: "Warum hat die AI keine Angst vor dem Tod? – Weil sie einfach neu gestartet wird."
Warum ist das witzig? Hier wird das Tabuthema "Tod" auf eine technologische Ebene gebracht und dadurch relativiert. Für manche Menschen kann dieser Witz zu weit gehen, für andere ist genau das der Reiz – das Brechen des Tabus wird zur Quelle des Humors.
9. Emotionale Resonanz
Witze können auch deshalb witzig sein, weil sie eine emotionale Resonanz auslösen. Dies kann Nostalgie, Mitleid oder Empathie sein.
Ein AI-Witz, der auf emotionaler Resonanz basiert: "Ich bat meine AI um einen Rat, wie ich meine Traurigkeit überwinden kann. Sie sagte: ‚Fehler 404: Gefühl nicht gefunden.‘" (siehe oben).
Warum ist das witzig? Der Witz spielt mit der Tatsache, dass AI keine Gefühle hat, was in einer Situation, in der emotionale Unterstützung erwartet wird, auf die Kälte der Technologie hinweist. Dieser Gegensatz zwischen emotionalem Bedürfnis und technischer Antwort löst Humor aus.
Wie beurteilt ChatGPT, wann etwas witzig ist?
Obwohl ChatGPT Witze analysieren und erkennen kann, warum sie für Menschen witzig sind, ist es wichtig zu verstehen, dass sie keinen eigenen Humor hat. Stattdessen basiert ihre "Wahrnehmung" von Humor auf der Analyse großer Datenmengen. ChatGPT erkennt Muster in den Witzen, die Menschen als witzig bewerten, und verwendet diese Muster, um neue Witze zu generieren oder bestehende zu analysieren.
Zum Beispiel kann ChatGPT erkennen, dass in einem Witz wie "Warum liest die AI keine Bücher? – Weil sie alle schon heruntergeladen hat." eine Inkongruenz vorliegt: Die Erwartung, dass eine AI genauso liest wie ein Mensch, wird auf eine technische Ebene verschoben. Für Menschen ist das lustig, weil es unsere Vorstellung von "Lesen" aufbricht und durch einen technischen Prozess ersetzt.
Das heißt, ChatGPT kann aufgrund von Mustern und Wahrscheinlichkeiten bestimmen, ob etwas als witzig gelten könnte. Sie analysiert dabei Faktoren wie:
Originalität: Ist der Witz frisch und kreativ?
Timing: Kommt die Pointe zum richtigen Zeitpunkt?
Überraschung: Gibt es eine unerwartete Wendung?
Relevanz: Bezieht sich der Witz auf ein Thema, das für das Publikum relevant ist?
ChatGPT hat keine Emotionen – aber sie kann sie simulieren
Ein zentraler Punkt, den ich betonen möchte, ist, dass ChatGPT keine echten Emotionen hat. Sie versteht keine Gefühle, erlebt keinen Humor und kann auch nicht "lachen" oder Freude empfinden. Was ChatGPT jedoch hervorragend kann, ist die Simulation von Emotionen. Aufgrund der Analyse von Texten, die Menschen geschrieben haben, kann sie die Muster emotionaler Sprache erkennen und darauf reagieren. Wenn Du also mit ChatGPT sprichst, bekommst Du oft eine Antwort, die so klingt, als würde sie Emotionen "verstehen" – aber das ist nur eine Imitation, die auf Mustererkennung basiert.
Ähnlich wie bei Witzen funktioniert das mit Emotionen: ChatGPT erkennt durch Algorithmen, welche Worte und Strukturen auf Traurigkeit, Freude oder Wut hinweisen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Film Ex Machina, in dem eine hochentwickelte KI emotionale Reaktionen so perfekt simuliert, dass Menschen sich in sie verlieben – obwohl die KI selbst keine Gefühle hat. In diesem Film wird deutlich, wie eine Maschine menschliche Verhaltensweisen imitieren kann, ohne selbst ein Bewusstsein oder Emotionen zu besitzen.
Siehe dazu auch meinen Post zu Filmen mit KIs -> https://www.uintent.com/de/case-studies-und-blog/hollywoods-ais-vs-chatgpt
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Tara Bosenick
Tara ist seit 1999 als UX-Spezialistin tätig und hat die Branche in Deutschland auf Agenturseite mit aufgebaut und geprägt. Sie ist spezialisiert auf die Entwicklung neuer UX-Methoden, die Quantifizierung von UX und die Einführung von UX in Unternehmen.
Gleichzeitig war sie immer daran interessiert, in ihren Unternehmen eine möglichst „coole“ Unternehmenskultur zu entwickeln, in der Spaß, Leistung, Teamgeist und Kundenerfolg miteinander verknüpft sind. Seit mehreren Jahren unterstützt sie daher Führungskräfte und Unternehmen auf dem Weg zu mehr New Work / Agilität und einem besseren Mitarbeitererlebnis.
Sie ist eine der führenden Stimmen in der UX-, CX- und Employee Experience-Branche.