
HOW-TO, OBJECTION HANDLING, STAKEHOLDER MANAGEMENT, UX
Argumente für UX-Forschung: Stakeholder überzeugen
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4. März 2025
Die Frage nach dem Wert von User Research existiert, seit es diese Disziplin gibt. Eine grundlegende Fragestellung dabei lautet: Was ist User Research wert, und wie lässt sich der Return on Investment (ROI) von UX Research quantifizieren? Das ist keine triviale Angelegenheit. Das Hauptproblem besteht oft darin, die spezifische Investition zu identifizieren, die einen bestimmten Nutzen bringt, insbesondere in der vielschichtigen Welt digitaler Produkte und Dienstleistungen. Eine Google-Suche nach "UX ROI" liefert heute mehr als sechs Millionen Ergebnisse. Trotz dieser Fülle an Informationen bleiben viele Antworten jedoch unbefriedigend für Praktiker und Entscheidungsträger im Feld.
UX Research als Kostenfaktor verstehen
Ein besonders überzeugendes Modell basiert auf einem Kostenersparnis-Ansatz in der UX-Forschung. Es betrachtet die Arbeitskosten, die mit der Produktentwicklung verbunden sind, sowohl mit als auch ohne UX Research. Die zentrale Erkenntnis: Eine Investition in User Research amortisiert sich dadurch, dass weniger Zeit für Fehlerbehebungen, Produktwartung und die Bearbeitung von Kundenbeschwerden nach dem Launch aufgewendet werden muss. Die Logik dahinter ist einfach: Wer frühzeitig Nutzerbedürfnisse versteht, kann kostspielige Probleme und kurzfristige Notfalllösungen vermeiden. Diese direkte Verbindung zwischen UX und Kosteneinsparungen ist in der Branche weithin anerkannt.
Warum traditionelle ROI-Berechnungen oft scheitern
Das Kernproblem solcher Modelle besteht darin, dass sie auf spezifischen Szenarien und Annahmen beruhen. Unter kontrollierten Bedingungen funktionieren sie gut, doch die reale Anwendbarkeit ist weitaus komplexer. Kein Produkt oder Service gleicht dem anderen, weshalb diese Modelle keine universellen Blaupausen sein können. Die Faktoren, die den UX-Erfolg beeinflussen, sind zu vielfältig und kontextabhängig. Darüber hinaus können die operativen Kosten zur Implementierung solcher Modelle häufig sehr hoch sein, manchmal sogar höher als das gesamte UX-Budget eines Unternehmens. Das macht sie für viele Unternehmen, insbesondere kleinere, wenig praktikabel.
Doch das größte Problem ist vielleicht: Den ROI für UX Research exakt zu berechnen, ist oft ein aussichtsloses Unterfangen. Das liegt nicht daran, dass der Nutzen nicht real oder messbar wäre, sondern daran, dass die moderne Unternehmenslandschaft zu komplex ist, um den Einfluss eines einzelnen Faktors isoliert zu bestimmen. Unternehmen operieren heute in einem Umfeld, das von zahllosen Variablen geprägt ist: technologische Entwicklungen, Marktwettbewerb, Nutzererwartungen und vieles mehr. Die exakte UX-Wirkung auf den Unternehmenserfolg zu ermitteln, bleibt oft eher eine Schätzung als eine exakte Wissenschaft.
UX neu denken: Vom ROI zur langfristigen Wirkung
Anstatt sich auf isolierte Metriken zu konzentrieren, lohnt es sich, das Gesamtbild zu betrachten. Ein breiterer Blick offenbart mehrere unbestreitbare Trends: die unaufhaltsame Digitalisierung (besonders in Bereichen, in denen Remote-Arbeit früher undenkbar war), eine neue Generation von Arbeitnehmern mit hohen Erwartungen an digitale Arbeitsumgebungen und die rapide Weiterentwicklung neuer Geräte und Interfaces. Diese Trends unterstreichen die wachsende Bedeutung der User Experience sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich.
Mit der zunehmenden Digitalisierung steigen auch die Erwartungen der Nutzer, sei es von Mitarbeitern oder Kunden. Die junge Generation, die heute in den Arbeitsmarkt eintritt, ist mit modernster Technologie und nahtlosen digitalen Erlebnissen aufgewachsen. Sie erwartet nichts anderes von den Tools, die sie im Berufsleben nutzen. Dasselbe gilt für Konsumenten.
UX ist heute ein entscheidender Differenzierungsfaktor in Märkten, die mit nahezu identischen Produkten gesättigt sind. Die Möglichkeit, ein reibungsloses, intuitives und angenehmes Nutzererlebnis zu bieten, ist oft das ausschlaggebende Kriterium für die Wahl zwischen konkurrierenden Marken. Unternehmen, die sich auf vergangenen Erfolgen ausruhen, riskieren es, von agileren Wettbewerbern mit besseren UX-Erlebnissen überholt zu werden.
Praxisnahe Strategien: UX-Wert ohne klassische ROI-Messung beweisen
Was tun, wenn das eigene Unternehmen oder die Führungsebene noch an veralteten Modellen festhält und darauf vertraut, dass vergangener Erfolg auch zukünftige Stabilität garantiert? Dies ist eine häufige Herausforderung, insbesondere in Unternehmen, die lange Zeit mit traditionellen Geschäftsmodellen erfolgreich waren und sich nur langsam an neue Trends anpassen.
Hier sind einige Strategien, um eine neue Perspektive zu schaffen:
Zeit nicht mit klassischen ROI-Berechnungen verschwenden. So verlockend es ist, mit finanziellen Kennzahlen zu argumentieren, endet dieser Ansatz oft in einer Sackgasse. Es ist nahezu unmöglich, den immateriellen Nutzen von UX Research in rein monetären Zahlen auszudrücken. Stattdessen kann es helfen, die Diskussion auf andere immaterielle Werte zu lenken, die Entscheidungsträger ansprechen. Begriffe wie "Qualität" und "positive Arbeitsatmosphäre" werden in Meetings oft verwendet, ohne dass sie konkret quantifiziert werden. Dies kann eine Gelegenheit sein, auf die qualitative Wirkung von UX hinzuweisen.
UX als Treiber für Produktqualität positionieren. Unternehmen wie Mercedes-Benz haben diesen Ansatz bereits in ihre Marketingstrategien integriert und UX als Verkaufsargument etabliert. Ein Beispiel dafür ist das MBUX-System von Mercedes: Die Nutzererfahrung im Auto dreht sich nicht mehr nur um Motorleistung oder Design, sondern darum, wie intuitiv und angenehm die Interaktion mit dem Fahrzeug ist. Dieser Wandel im Wertverständnis wird in vielen Branchen Schule machen.
UX-Wert visuell und erlebbar machen. Auch mit begrenztem Budget lässt sich eine überzeugende Argumentation aufbauen. Eine einfache, aber effektive Methode ist ein Do-it-yourself-Usability-Test. Indem man Teilnehmer dabei filmt, wie sie ein Produkt nutzen, insbesondere in frustrierenden Momenten, kann man Entscheidern eindrucksvoll verdeutlichen, wo UX-Probleme bestehen. Falls das nicht reicht, hilft ein noch direkterer Ansatz: Man kann beispielsweise einen "Aging Suit" mieten (Kosten ca. 300 € pro Tag), der die körperlichen Einschränkungen älterer Nutzer simuliert. Lässt man die eigene Führungsebene das Produkt in diesem Anzug testen, wird oft schnell klar, dass die eigene Wahrnehmung von Benutzerfreundlichkeit nicht unbedingt der realen Nutzererfahrung entspricht.
Fazit
Die Frage nach dem ROI von UX Research wird vielleicht nie eine einfache Antwort haben. Statt sich in komplizierten Berechnungen und Annahmen zu verlieren, sollte man das Gesamtbild betrachten und die unaufhaltsamen Trends der digitalen Welt erkennen. Die Diskussion sollte über ROI hinausgehen und UX als Schlüsselfaktor für qualitativ hochwertige, wettbewerbsfähige Produkte positionieren. Unternehmen, die dies erkennen, sichern sich nicht nur finanzielle Vorteile, sondern auch langfristige Marktstabilität.
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AUTHOR
Wolfgang Waxenberger
Wolfgang begann seine Tätigkeit als UX-Profi im Jahr 2004 nach Abschluss seines MA in Politikwissenschaft und Soziologie. 10 Jahre lang leitete er SirValUse Consulting und die UX-Abteilung von GfK, bevor er 2019 uintent gründete. Wolfgang’s Schwerpunkt liegt auf Automotive und Healthcare Research.
